Was bedeuten Abkürzungen wie "MRE" usw?
Multiresistente Erreger.
Als Multiresistenzen bezeichnet man in der Medizin
bei denen sogenannte Keime (Bakterien oder Viren) gegen mehrere verschiedene Antibiotika beziehungsweise Virostatika unempfindlich sind. Einige Beispiele: Enterococcus faecium, Staphylococcus aureus, Acinetobacter spp., Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae.
Es handelt sich also nicht um Keime, die neu entstanden sind, sondern Erreger, die schon immer in unserer Umwelt vorkommen und mit denen wir schon immer leben.
Relativ neu aber ist, dass gegen diese herkömmlichen Erreger Antibiotika zunehmend unwirksam werden, da sich Resistenzen gebildet haben.
Wie entwickelt ein Erreger eine Resistenz?
Die Bildung einer Resistenz ist für eine Bakterie nichts anderes als ein Überlebensmechanismus. Simpel ausgedrückt handeln Bakterien häufig nach dem Motto: "Was mich nicht umbringt, macht mich noch härter." Im Klartext heißt das: Bakterien können sich anpassen, um zu überleben. Das tun sie, indem sie sich verändern. Diese Mutation schützt sie dann vor der zerstörerischen Wirkung von Antibiotika. Bakterien lernen voneinander und geben Informationen untereinander weiter. Je mehr und je häufiger Antibiotika eingesetzt werden, umso resistenter werden die Erreger.
Wird man unweigerlich krank von "MRE"?
Am anfälligsten sind natürlich immunschwache Individuen wie Senioren, Kinder (Welpen) und Kranke. Einem gesunden Menschen oder Hund macht ein solcher Keim i.d.R. nichts aus; er merkt nichts davon.
Allerdings findet in seinem Körper folgendes Szenario statt: Die Bakterien lernen blitzschnell voneinander. Sie tauschen Informationen aus und sorgen dafür, dass viele andere Bakterien die gleichen Resistenzen bilden. Werden Mensch oder Hund dann einmal ernsthaft krank, wirken dummerweise die in der Medizin zur Verfügung stehenden Antibiotika nicht mehr. Somit also steuert unsere Gesellschaft auf einen Punkt zu, an dem wir gegen lebensbedrohliche Infektionen genauso machtlos sind wie vor der Entdeckung/Entwicklung der Antibiotika.
Ist die BARF-Fütterung besonders betroffen?
Grundsätzlich kann so ziemlich jedes Lebensmittel Überträger sein. Tierische Produkte, Gemüse, Obst oder sogar Getränke können diese Keime enthalten, die für die Gesundheit zum Problem werden können. Natürlich gilt das ebenso für die Zutaten des rohen Hundefutters. Es ist aber irrelevant, ob der Überträger der Keime nun das Fleisch ist, welches für den menschlichen Bedarf gedacht ist oder jenes, das für BARF vorgesehen ist. Jedes Stück Fleisch, das wir uns in unseren Haushalt holen, kann den Keim tragen. Es gibt zwar Kontrollen und Grenzwerte und diese sind für rohes Heimtierfutter sogar strenger als z.B. für Hackfleisch, aber Kontrollen sind stets Stichproben. Sind pflanzliche Produkte verunreinigt, sind oft die Düngung oder verunreinigtes Wasser die Ursache.
Wichtig anzumerken ist, dass nicht nur ein Produkt an sich, sondern auch die Verpackung ein Keimträger ist. Die meisten Erreger haften auf Plastikpackungen sehr gut. Aber auch Eierschalen sind stark behaftet. So sind sie die Hauptquelle für z.B. Salmonellen. Salmonellen sind stäbchenförmige Bakterien, die weltweit verbreitet sind. Weiterhin gilt jedes Auftauwasser als potentielle Quelle für Erreger.
Ebenso wie bei der Zubereitung einer BARF-Ration, so hantieren wir gleichfalls mit multiresistenten Keimen, wenn wir für uns selbst ein Hähnchen oder ein Schnitzel zubereiten.
All diese ungebetenen Gäste nehmen jeden Transportweg in Anspruch, den sie von uns geboten bekommen. Die Keime können sich mit jedem Anfassen von Haushaltsgegenständen ausbreiten und in den Organismus gelangen. Dazu aber bedarf es keines gebarften Hundes im Haushalt.
Was sind die Verbreitungswege der Keime?
Nicht allein Fleisch trägt zur Verbreitung der Keime bei!
Hunde sollte man nicht barfen!?
Hinsichtlich gebarfter Hunde wird oft angemerkt, dass sie besonders viele dieser Keime ausscheiden, da ja die Keimlast in ihrem Kot durch die Rohfütterung höher ist als beim Menschen, welcher ja kein Rohfleisch zu sich nimmt. Aber wir entkommen den multiresistenten Keimen nicht, indem wir unseren Hunden kein Frischfleisch mehr füttern, denn diese sind eben nicht nur im Napf und Kot unserer Hunde vorhanden. Wer unbedingt noch mehr die Gefahr der Keimverbreitung durch Kotausscheidungen minimieren will, der sollte das Fleisch für die Ration kochen. Damit wird die Keimlast, die der Hund zu sich nimmt und ausscheidet, eher auf das Maß reduziert, das auch fleischverzehrende Menschen ausscheiden.
In einer Medienmitteilung der Uni Zürich aus 2019 heißt es bedeutungsschwer: "Hunde und Katzen tragen ESBL-bildende Keime in sich". Es kann hier leicht der Eindruck entstehen, dass nur Haustiere Träger der Keime sind. Aber wir alle können Träger der multiresistenten Keime sein.
Ich habe in den letzten Jahren schon viele Menschen auf den ARTE-Bericht "Killer-Keime" hingewiesen, der aufzeigt, wie uns der überbordende Einsatz von Antibiotika in Landwirtschaft und Medizin an den Punkt gebracht haben, an dem wir nun sind. Ich lege jedem Menschen von Herzen nahe, sich diesen Bericht auf YouTube anzusehen. Er dauert als YouTube-Beitrag 52 Minuten. Bei Minute 22:10 (als das Kind den Kühlschrank öffnet, dessen Griff die Mutter vorher mit ungewaschenen Händen anfasste) wird deutlich, dass nicht nur unsere fleischfressenden Tiere Träger und Verbreiter von Multiresistenzen sind, sondern auch wir.
Immerhin wird am Ende der Züricher Medienmitteilung allen Hunde- und Katzenbesitzern, die ihre Tiere mit BARF ernähren wollen, nur geraten, vorsichtig mit dem Futter umzugehen und strikte Hygiene bei der Fütterung einzuhalten. MRE-Berichte anderer Studien lauten da entschieden undifferenzierter und stellen alleinig BARF nahezu als den Untergang der Menschheit dar.
Ist B.A.R.F. besonders keimbelastet?
Ich wurde gefragt, ob das für Hunde bestimmte Fleisch besonders keimbelastet sei. Das glaube ich persönlich nicht. Wie gesagt sind hier die Kontrollen und Grenzwerte sogar strenger. Das Fleisch stammt ja von den gleichen Schlachttieren wie das Fleisch für uns. Es werden keine Tiere extra für die Herstellung von Hundefutter geschlachtet. Mittlerweile kenne ich doch einige Leute, die in der Fleischindustrie arbeiten oder gearbeitet haben und die haben mir unisono bestätigt, dass kein Mensch extra für Barf-Fleisch Tiere züchtet und schlachtet. Das ist niemals profitabel genug. Es fallen - dank unserer Essgewohnheiten in Mitteleuropa - bei normalem Schlachtvieh auch genug "Reste" an. Eine Kollegin, die einen BARF-Shop betreibt, hat vor ein paar Monaten mal recherchiert: theoretisch reichen diese "Reste" sogar, um die komplette Hundepopulation in Deutschland zu ernähren. Also die Herkunft des Fleisches für Hunde unterscheidet sich i.d.R. nicht von der des unsrigen. Und die Kühlkette müssen die Hersteller bei diesem Fleisch ebenfalls einhalten. Klar, schwarze Schafe wird es da auch geben. Aber die gibt es nicht nur in der BARF-Branche. Man muss sich nur an die Gammelfleisch-Skandale erinnern, die immer mal wieder Schlagzeilen machen.
Mein Resümee
Schade finde ich persönlich,
Kein Mensch hat in diesem Medienbericht der Uni Zürich behauptet, dass BARF den Hund krank macht. Aber die einschlägigen Foren sind derzeit dennoch voller Reaktionen von Barfern, die z.B. folgendermaßen lauten: "... also, ich glaube dem Artikel nicht, denn meinem Hund hat BARF bisher nur gut getan; er ist erst mit BARF gesund geworden".
Darum aber geht es hier ja gar nicht. Auch, wenn die Überschrift "Hundefutter mit Rohfleisch ist ein Gesundheitsrisiko" suggeriert, dass Rohfleisch für Hunde ungesund ist, so beziehen sich die Forschungsergebnisse nicht auf den Effekt, den BARF auf die Gesundheit von Hunden hat, sondern ausschließlich auf die Gefährlichkeit von Keimen, die der Hund durch BARF in die Umwelt ausscheiden kann.
Mich irritiert, dass immer und immer wieder solche Studien durchgeführt werden. Stets mit den gleichen Ergebnissen. Und die werden dann der Öffentlichkeit vorgestellt wie brandneue Erkenntnisse.
2018 z.B. wurde eine Studie in Utrecht „Bakterien und Parasiten im Rohfutter für Hunde und Katzen“ veröffentlicht. Man untersuchte 35 Rohfutterrationen und fand heraus, dass diese bakteriell belastet waren, auf 80 % der Proben waren MRE zu finden.
Die Presse reagiert immer im gleichen Tenor auf solche Studien und warnt ganz undifferenziert grundsätzlich vor der Rohfütterung. Kein Journalist stellt in seinem Bericht einmal diesen Studienergebnissen die Ergebnisse von Fertigfutteruntersuchungen gegenüber. Da wird auch genug gefunden an Keimen, auch MRE. Z.B. in der Studie "The Pet Food Test“ wurden 12 Futtersorten, darunter Royal Canin, Hills, Frieskies, Cesar, Purina, auf Erreger untersucht.
Ergebnis:
Pathogen |
Anzahl positiver Proben |
Anteil kontaminierter Proben |
Acinetobacter |
8 |
67 % |
Pseudomonas |
9 |
75 % |
Streptokokken |
7 |
58 % |
Staphylokokken |
10 |
83 % |
Baccilus |
10 |
83 % |
Halomonas |
8 |
67 % |
Proteobacteria |
9 |
75 % |
Cyanobacteria |
9 |
75 % |
Viele dieser Erreger sind mittlerweile antibiotikaresistent.
Was ist weiterhin mit den Fleischproben für den menschlichen Verzehr, die die MR-Erreger aufweisen? Der ARTE-Bericht "Killer-Viren" zeigt, was da alles auf Fleisch für den menschlichen Verzehr an MRE gefunden wird. Und der Bericht ist von 2014. Mittlerweile haben sich die Prozentzahlen ja noch erhöht. Dass das Fleisch für Menschen ebenfalls MRE aufweist, da schreibt niemand drüber, wenn über BARF diskutiert wird.
Jetzt wollen die Züricher untersuchen, ob Hundehalter tatsächlich resistente Keime haben, die vom Hund übertragen wurden. Ich bin fast sicher, dass bei Haltern MRE nachgewiesen werden. MRE sind schließlich allgegenwärtig. Warum sollten sie das auch nicht sein? Es handelt sich um ganz normale Bakterien, die es seit Menschengedenken in unserer Umwelt gibt. Nur mit der kleinen Besonderheit, dass sie neuerdings einen Resistenzmechanismus gegen Antibiotika gebildet haben. Sie sind im Bus, in öffentlichen Gebäuden, an Handläufen, an Türgriffen, an Einkaufswagen. Sie werden von uns aufgenommen durch den Umgang mit unserem eigenen Steak und anderen Lebensmitteln. Auch dann, wenn gar kein Hund im Haus ist.
Es müsste einmal untersucht werden...
Zu Vergleichszwecken müssten unbedingt die gleichen Kriterien in einer Kontrollgruppe untersucht werden, welche nur Fertigfutter füttert. Erst dann könnte man Schlüsse ziehen.
Ich denke mal, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass wir durch den Umgang mit BARF oder Kontakt mit unserem Hund erkranken. Ich glaube aber schon, dass wir alle zur Verbreitung von MRE beitragen. Aber nicht (nur), weil wir barfen. Vielmehr, weil wir anderen Menschen die Hände schütteln, weil wir einkaufen gehen, mit dem Zug fahren, weil wir Fleisch und andere Lebensmittel zubereiten und essen und, und, und. Also einfach, weil wir nicht steril unter einer Glasglocke leben.
Nach wie vor halte ich die rohe Ernährung von Hunden für artgerecht, naturnah und gesund. Alle Erfahrungen, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit machen durfte, haben mir das bestätigt. Manche Hunde vertragen gekochtes Futter besser als rohes, aber das ist ein anderes Thema. Es gibt für mich keinen Grund, einem Hund lebenslang Trockenfutter zu füttern. Auch nicht solches, das es beim Tierarzt zu kaufen gibt.
Was kann ich selbst vorbeugend tun?
Ich selbst handhabe es so, dass ich möglichst immer am gleichen Platz mit Rohfleisch hantiere und nach dem Kontakt die Hände gründlich wasche und alle Utensilien mit kochendem Wasser überbrühe und die Anrichte gut säubere und auch regelmäßig desinfiziere. Spüllappen werden bei mir oft erneuert. Besser zu reinigen als Holzschneidebretter sind übrigens Glasschneidebretter.
Weiterhin vermeide ich den direkten Kontakt mit Hundekot, was ja eigentlich selbstverständlich ist.
Bleiben Sie gesund!
Ihre Jutta Kurth
PS. Lesen Sie hierzu auch:
https://truthaboutpetfood.com/new-raw-pet-food-study-neglects-to-consider/
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